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Beispiele erstrittener Gerichtsentscheidungen:


07.05.2002

Wenn wegen der außerordentlichen Schwierigkeit, die PIN zu ermitteln, davon auszugehen ist, dass der Karteninhaber die PIN pflichtwidrig bei sich getragen hat, bestehen keine Bedenken, insoweit von einem Anscheinsbeweis auszugehen. Ein allenfalls theoretischer abweichender Geschehensablauf ist so fernliegend, dass er außer Betracht zu bleiben hat. Eine MasterCard-PIN ist nicht ermittelbar – wie durch Sachverständigengutachten bestätigt. Es gibt keine Anhaltspunkte für ein Bekanntwerden des PIN-Erzeugungsschlüssels.

Das Risiko des Kartenmissbrauchs trägt der Karteninhaber.

Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 07.05.2002 (8 U 268/01), zuvor Landgericht Frankfurt am Main (2-26 O 24/00), WM 2002, 2101.


In dem vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschiedenen Fall wurde die Klage eines Karteninhabers gegen ein Kartenunternehmen auf Erstattung von Kontobelastungen zweit­instanzlich rechtskräftig abgewiesen. Die Kreditkarte des Karteninhabers war ihm in einem Einkaufszentrum aus der Hosentasche entwendet worden. Die Karte wurde unmittelbar danach mit der dem Karteninhaber zugeteilten PIN an Geldausgabeautomaten eingesetzt (unter fehlerfreier Eingabe der PIN), wodurch ein erheblicher Schaden entstand. Der Karteninhaber drang im Prozess mit seiner Behauptung nicht durch, dass er die PIN im Entwendungszeitpunkt nicht mit sich geführt habe, sondern nach Erhalt sich die PIN gemerkt, das PIN-Schreiben vernichtet und die PIN auch niemandem bekannt gegeben habe. Er drang auch nicht mit seinem Einwand durch, ein fachkundiger Dieb habe die PIN auf eine ihm unbekannte Weise entschlüsseln können. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main urteilte, dass nach derzeitigem technischen Wissensstand die Ermittelbarkeit bzw. Entschlüsselbarkeit der MasterCard-PIN unmöglich ist. Auch ein fachkundiger Dieb wäre nicht imstande, die PIN auf eine ihm unbekannte Weise zu entschlüsseln. Mannigfache PIN-Entschlüsselungsversuche sind zwar unternommen worden, jedoch bislang immer fehlgeschlagen. Angesichts des Sicherheitsstandards bei der Verschlüsselung der PIN ist die Möglichkeit eines Entschlüsselns, insbesondere durch Errechnen, auszuschließen. Die auf dem Magnetstreifen einer MasterCard gespeicherten Daten sind für die Berechnung der PIN so lange ohne jeden Wert, wie der maßgebliche Schlüssel im Sicherheitsmodul des Zentralrechners des Kartenunternehmens einem Angreifer unbekannt bleibt. Eine Angriffsmöglichkeit durch Bekanntwerden oder Rekonstruktion des PIN-Schlüssels ist ausgeschlossen. Anerkanntermaßen sind die Schlüssel auch durch besondere technische und sonstige Maßnahmen vor einer Ausspähung – auch durch unbefugtes Personal – geschützt. Es ist auch ausgeschlossen, dass Angreifer mit einem Rechner alle 10.000 möglichen PINs durchprobieren und dadurch die zu einer konkreten Karte gehörenden PIN ermitteln könnten. Auch sind die Ratechancen dadurch begrenzt, dass jede PIN-Eingabe registriert wird und die Geldausgabeautomaten bei drei unrichtigen PIN-Eingaben die Karte einziehen. Der Beweis des ersten Anscheins kann nicht dadurch erschüttert werden, dass theoretisch zwar denkbare, aber fernliegende Möglichkeiten zur Errechnung der PIN behauptet oder dargelegt werden. Eine Entkräftung des Anscheinsbeweises kommt nur dann in Betracht, wenn konkrete, d.h. realitätsnahe Anhaltspunkte dargelegt und bewiesen werden, woraus hervorgeht, dass im konkret zu beurteilenden Einzelfall eine ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs besteht. Zur Einholung eines weiteren Gutachtens fehlte es nach Ansicht des Oberlandesgerichts an der Voraussetzung, das die bisherige Begutachtung unzureichend ist und ein anderer Sachverständiger überlegene Forschungsmittel zur Hand hätte. Das Oberlandesgericht hat auch die analoge Anwendung der Rechtsprechung zur Kaskoversicherung beim Autodiebstahl (BGH, NJW 1995, 2169), wie sie das Oberlandesgericht Hamm in ec-Karten-Fällen (NJW 1997, 1711) vertreten hat, abgelehnt mit der Begründung, dass es sich um „durchaus nicht vergleichbare Sachverhalte“ handelt und im Übrigen der erkennende Senat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur angeführten Kaskoversicherungs-Rechtsprechung für „realitätsfern“ hält.


Der Wortlaut der Entscheidung kann Hier abgerufen werden.

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